Innere Kind-Arbeit: Warum deine Kindheit dich mehr beeinflusst, als du denkst

Gabriele Weber

Systemischer Coach & Expertin für Aufstellungsarbeit

1. Oktober 2022

Das Kind in dir ist nie verschwunden

Stell dir vor, du begegnest einem kleinen Kind, das traurig in der Ecke sitzt. Es fühlt sich allein, nicht gesehen, vielleicht sogar wertlos. Du setzt dich zu ihm, sprichst ihm Mut zu, nimmst es in den Arm. Und langsam beginnt es, sich zu entspannen, sich sicher zu fühlen – weil endlich jemand da ist, der es versteht.

Dieses Kind bist du.

Auch wenn du heute erwachsen bist, lebt dein inneres Kind in dir weiter. Es trägt deine frühesten Erfahrungen, deine Verletzungen, aber auch deine Träume und Wünsche. Und es beeinflusst dein Verhalten stärker, als dir vielleicht bewusst ist.


Wie deine Kindheit dich bis heute prägt

Unsere frühesten Erfahrungen formen unser Selbstbild, unser Sicherheitsgefühl und unsere Art, mit anderen in Beziehung zu treten. Besonders prägend sind die ersten Jahre, in denen wir die Welt ungefiltert aufnehmen und tief verinnerlichen:

  • Wie sicher warst du als Kind? Wenn du in einer liebevollen, stabilen Umgebung aufgewachsen bist, entwickelst du ein Urvertrauen ins Leben. Warst du oft unsicher oder allein, kann ein unterschwelliger Mangel an Sicherheit entstehen.
  • Wie wurdest du geliebt? Wenn du Liebe nur bekommen hast, wenn du brav warst oder gute Leistungen erbracht hast, könnte das in dir den Glauben verankert haben: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste.“
  • Wie wurde mit deinen Gefühlen umgegangen? Wurden deine Gefühle ernst genommen oder abgetan? Wenn dir oft gesagt wurde: „Das ist doch nicht schlimm“ oder „Reiß dich zusammen“, dann hast du vielleicht gelernt, deine Emotionen zu unterdrücken – und trägst sie heute noch als unbewusste Last mit dir herum.

Diese tiefen Prägungen wirken weiter, auch wenn wir sie vergessen oder verdrängt haben. Sie zeigen sich in unseren Beziehungen, in unserem Selbstwert und sogar in unseren Ängsten und Reaktionen.


Typische Anzeichen, dass dein inneres Kind noch verletzt ist

Viele unserer heutigen Herausforderungen haben ihren Ursprung in unverarbeiteten Kindheitserfahrungen. Vielleicht erkennst du dich in einem dieser Muster wieder:

  • Du hast Angst, nicht genug zu sein. Du strengst dich immer an, perfekt zu sein, machst es allen recht – doch tief in dir fühlst du dich oft nicht wirklich wertvoll.
  • Du hast Probleme, Grenzen zu setzen. Du sagst Ja, obwohl du Nein meinst, weil du Angst hast, abgelehnt zu werden. Vielleicht hast du als Kind gelernt, dass deine Bedürfnisse nicht wichtig sind.
  • Du fühlst dich schnell verletzt oder zurückgewiesen. Eine Kleinigkeit im Außen kann dich tief treffen – weil es alte Wunden berührt, die noch nicht geheilt sind.
  • Du hast Schwierigkeiten, deine Emotionen zu spüren oder zu zeigen. Wenn du in deiner Kindheit gelernt hast, deine Gefühle runterzuschlucken, fällt es dir heute vielleicht schwer, wirklich in Kontakt mit ihnen zu kommen.
  • Du suchst unbewusst nach Anerkennung. Vielleicht suchst du Bestätigung im Beruf, in Beziehungen oder durch Perfektionismus – weil dein inneres Kind noch darauf wartet, gesehen zu werden.

Wie du dein inneres Kind heilen kannst

Der erste Schritt zur Heilung ist das Bewusstwerden. Wenn du erkennst, dass deine Reaktionen oft nicht aus dem Erwachsenen-Ich kommen, sondern aus dem verletzten Kind in dir, kannst du anfangen, liebevoll mit dir selbst umzugehen.

Hier sind einige Wege, wie du in Kontakt mit deinem inneren Kind treten kannst:

  • Begegne ihm bewusst. Setz dich an einen ruhigen Ort, schließe die Augen und stell dir vor, dein inneres Kind steht vor dir. Wie sieht es aus? Wie fühlt es sich? Was braucht es von dir?
  • Sprich mit ihm. Stell dir vor, du könntest deinem jüngeren Ich eine Botschaft senden. Was hätte es damals gebraucht? Vielleicht Worte wie: „Du bist gut so, wie du bist.“ oder „Ich sehe dich.“
  • Schreibe ihm einen Brief. Schreib aus der Perspektive deines erwachsenen Ichs an dein inneres Kind. Erkenne seine Ängste und Wünsche an und gib ihm das, was es damals gebraucht hätte.
  • Fühle, was lange unterdrückt wurde. Alte Gefühle dürfen sein. Wenn Traurigkeit, Wut oder Angst auftauchen, halte sie nicht zurück – sie sind Teile deiner Geschichte, die jetzt gesehen werden wollen.
  • Sei heute für dich da. Selbstfürsorge ist ein Zeichen dafür, dass du dein inneres Kind ernst nimmst. Frag dich: „Was hätte ich mir als Kind gewünscht?“ und gib es dir heute selbst.

Fazit: Dein inneres Kind wartet auf dich

Deine Vergangenheit muss dich nicht für immer bestimmen – aber sie darf anerkannt werden. Das Kind in dir ist nicht verschwunden. Es lebt in dir, mit all seinen Erfahrungen, Sehnsüchten und Wunden. Wenn du dich ihm zuwendest, anstatt es zu ignorieren, beginnt echte Heilung.

💛 Welche Erkenntnis hattest du beim Lesen? Hast du dein inneres Kind schon bewusst wahrgenommen? Teile es gerne in den Kommentaren!

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